Pressestimmen:
Westfälische Rundschau
"Snow White" bezaubert Schüler
Märchenaufführung
-us- Gronau. Eine Märchenaufführung für Elf- und Zwölfjährige? Noch dazu von einem Marionettenspieler dargeboten? Ist das nicht einfach zu "kindisch"? Wer dabei an Kasperletheater zum Mitmachen denkt, liegt völlig falsch. Nicht etwa, weil das Ganze weniger Spaß macht, sondern eher deshalb, weil der Akteur, Reiner Anding, einen hohen künstlerischen Anspruch mit einer ebenso faszinierenden wie simplen Bühnenschau verbindet.Zeitlos wirkt seine Version von Schneewittchen und den sieben Zwergen, die er mit einfachsten Mitteln auf die Bühne zaubert, und ebenso interessant für Erwachsene wie für Kinder. Einen Haken hat die Geschichte allerdings: Bei Reiner Anding handelt es sich eigentlich nicht um "Schneewittchen", sondern um "Snow White". Die böse Stiefmutter redet Englisch, die liebliche Prinzessin ebenfalls, und alle sieben Zwerge singen und brummen, piepsen und kieksen Englisch.
Reiner Anding vom Berliner Sandkorn-Theater war auf Einladung des Gymnasiums am Dienstag zu Gast in Gronau. Der gelernte Marionettenspieler, der zwanzig Jahre Bühnenerfahrung mitbringt, erzählte die Geschichte von Haß und Mißgunst, vom Versuch der Königin, die Konkurrenz im Kampf um Macht und Schönheit auszuschalten bis hin zur Hochzeit von Schneewittchen mit dem Prinzen, klar und ohne Schnörkel - auf englisch. Damit brachte er die beiden Jahrgangsstufen, die fünften und sechsten Klassen des Gymnasiums, zum Staunen.
Nach einem anfänglichen Donnerwetter folgten ihm die zweimal hundert Elf- und Zwölfjährigen (es gab zwei Vorstellungen) bei jeder Bewegung, jedem Wort, jedem Musikton gespannt und aufmerksam. Nicht alle hatten dem dramatischen Leckerbissen, den sie am vorletzten Schultag serviert bekamen, mit purer Freude entgegengesehen. Um so erstaunliche war der Erfolg, der sich an der Konzentriertheit der Jugendlichen ablesen ließ. Als "Snow White" zum ersten Mal stirbt, konnte man die berühmte sprichwörtliche Stecknadel fallen hören. Dabei gab es keine einzige Sensation, keine Effekthascherei, keinen billigen Witz.
"Ich schaffe eine andere Welt", erklärt der Berliner Künstler, der seit zwei Jahren mit dem englischsprachigen Stoff durch Schulen im ganzen Land tourt. Gefühle sollen angesprochen werden, was gerade, so Anding, bei Jugendlichen wichtig und nicht ganz leicht ist. Dem klaren und präzise formulierten Englisch konnte man gut folgen, und als am Ende die sieben Zwerge - schlicht und genial einfach als sieben Papphüte personifiziert - auf der Hochzeit des jungen Paares tanzen, klatschten alle begeistert mit. Ein Stück in einer Fremdsprache - so wurde es zum Erlebnis. Was wieder einmal zeigt, daß Theater ein unersetzbares Medium ist - zum Lernen ebenso gut wie zum Lachen, zum Staunen und Sich-Freuen.